Die sogenannte Klimaneutralität zu erreichen, ist schwierig. Denn der reduzierte Einsatz fossiler Energie senkt das wirtschaftliche Wachstum. Ob dadurch die Versorgungswirtschaft als Ganzes und insbesondere die Landwirtschaft Schaden nimmt, darüber wird kaum berichtet.
Umso intensiver und lauter konzentrieren sich alle auf «Netto-Null»: Zunächst wird versucht – durch Verträge der reichen Industrieländer mit wirtschaftlich weniger entwickelten Staaten – eine sog. Kompensation der CO2-Reduktion zu erreichen.
Klima schonen?
Dies bedeutet, dass wirtschaftlich die noch weniger entwickelten Länder «das Klima schonen» sollen und keine Wachstumswirtschaft (nach dem Muster ihrer Geldgeber) aufbauen können. Das bedeutet für diese Länder einen Verzicht auf die eigene Industrieentwicklung und eigenes Wachstum zu Gunsten der entwickelten Länder.
Letztere sollen quasi als Gegenleistung alternative Energiesysteme in den noch ärmeren Ländern direkt fördern. Diesen Beitrag an die Senkung des CO2-Ausstosses wollen die wohlhabenden Industrieländer dann bei sich anrechnen lassen können.
Neokolonialismus
Dieser im Grunde auch von namhaften NGOs vertretene neokoloniale Ansatz kommt auch in der Forderung nach Ausscheidung von ökologischen Schutzreservaten zum Ausdruck, damit die Weltzentren weiter wachsen können. Es findet lediglich eine Umverteilung der Verschmutzungsrechte statt, ohne dass der ökologische Fussabdruck gesamthaft abnimmt.
Niemand geringerer als Vandana Shiva, die indische Physikerin und Umweltaktivistin, hat die Artenschutzkonferenz COP15 vom vergangenen Dezember auf diese Widersprüche aufmerksam gemacht.
Geld statt Ökologie
In den entwickelten Ländern selbst würde eine über die Klimaziele vereinbarte CO2-Reduktion zu weniger Wachstum führen und dadurch auch das bereits stark angeschlagene Finanzsystem wegen Überschuldung zum Einsturz bringen.
Also muss ein Weg gefunden werden, den ökologischen Konflikt zu lösen, ohne der Wirtschaft und den grossen Anlegern zu nahe zu treten. Dies hat sich der «Green New Deal» zum Ziel gesetzt. Dieser versucht die Natur und das angeschlagene und heillos überschuldete Finanzsystem gleichzeitig zu retten.
Klima-Assets
Die Finanzinvestoren und die EU schlagen deshalb vor, einträgliche Finanzanlagen auf «Klima-Assets» mittels der IT-Nachhaltigkeitstechnologie zu fördern. Doch andererseits, um das Netto-Null Ziel zu erreichen, muss die Wirtschaft auf fossile Brennstoffe weitgehend verzichten, was, wie erwähnt, das Wachstum blockiert.
Doch Klima-Assets sollen hier einen Ausweg schaffen: Durch die sogenannte Taxonomie werden Regeln aufgestellt, sodass Investitionen in die IT- und Nachhaltigkeitstechnologien fliessen und dann nur noch dort zu Erträgen führen können.
Gegen Realwirtschaft
Damit hofft man, die Lösung gefunden zu haben, wie die riesigen Geldsummen, die weit über die Realwirtschaft hinaus aufgebläht wurden und unter schwindenden Erträgen leiden, dennoch wieder zu Wachstumserträgen kommen: nämlich durch die Finanzierung des gewaltigen materiellen Zubaus, welcher erneuerbare Energiesysteme erforderlich macht.
Damit würden jene riesigen Geldsummen, die den Wert der Realwirtschaft um ein X-faches übersteigen, wieder Anlage finden. Dieser rein finanzielle Umverteilungsvorgang entbehrt jedoch jeglicher realwirtschaftlichen Grundlage.
Deindustrialisierung
Das Nachhaltigkeitsproblem an sich würde dabei genauso wenig gelöst wie die Reform des Geldsystems. Offensichtlich geht es darum, Bedingungen zu schaffen, wie die Nachhaltigkeitsfrage zur Lösung der Finanzkrise instrumentalisiert werden kann.
Dabei soll die riskierte Deindustrialisierung der KMU eine möglichst grosse wirtschaftliche Konkursmasse schaffen. Dies würde es den global tätigen Grossinvestoren erlauben, günstig einzukaufen und mit dem so zusammengekauften Monopol an der Naturgrundlage (Agrarland, Wälder, Rohstoffe) künftige Monopolgewinne zu realisieren.
Neue Monopole
So wie man den KMU und der mittelständischen Wirtschaft die Energie abdreht, würden auch der Landwirtschaft die Hilfsstoffe gedrosselt. Das Resultat wird eine riesige Versorgungskrise sein, die wiederum ein Hebel zu weiterer wirtschaftlicher Monopolbildung wird.
Man redet z.B. nicht mehr von Landwirtschaft, sondern nur noch vom «Ernährungssystem». Die durchdigitalisierten «Smart Cities» bilden ihre Metastasen durch Start-ups in der sog. «vertical agriculture», im «precision farming», in der «synthetischen Biologie» und in einem durch NGOs propagierten «Ernährungssystem». Hier soll ein durchreguliertes Verhalten auf die gesamte Gesellschaft und ihre Lebens- und Konsumgewohnheiten ausgedehnt werden.
Die Energiepolitik mit und nicht gegen die Naturgesetze
Wer wirklich ökologisch und industriell denken kann, sieht sofort, mit gewaltsam verteuerter fossiler Energie können unmöglich alternative erneuerbare Energiesysteme aufgebaut werden. Es muss umgekehrt laufen, mit billiger fossiler Energie müssen Energiesysteme entwickelt werden, die fähig sind, niedrige Energiedichten in Massen ernten zu können.
Das erfordert logischerweise einen umfangreichen, der wirtschaftlichen Entwicklungsstufe entsprechenden Materialaufwand, den man sich mit einer Staumauer versinnbildlichen kann. Erst wenn mit fossiler nichterneuerbarer Energie genügend Zement und Baustahl produziert und damit der Staudamm erstellt ist, kann man zur Herstellung und «zur Ernte» von ausschliesslich erneuerbarer Energie übergehen und den Verbrauch von fossiler Energie herabsetzen bzw. soweit möglich auf «Null» reduzieren. Alle anderen Vorschläge verstossen gegen den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.
Falsche Politik
Die KMU, die in der Produktion stehen, sehen das deutlich und sind besorgt, wie die Wirtschaft mit geopolitisch und ökologisch begründeter Energieverteuerung geschädigt werden soll. Im Grunde ist es der gleiche Konflikt, den schon Henry Ford mit der Wallstreet ausgefochten hatte.
Denn die Erklärung für diese im «ökologischen» Mäntelchen daherkommende falsche «Wirtschaftspolitik» der Finanzmärkte beruht auf den Eigentumsansprüchen der auf Rendite getrimmten, ausserhalb der Realwirtschaft stehenden herrschenden Finanz- und Geldordnung.
Finanzkrise zum Zweiten
Seit der Finanzkrise von 2008 versucht die Finanzoligarchie immer wieder mit ihrer enormen Informationsmacht zu verhindern, dass das Geldwesen reformiert und ihre derzeitige Übermacht wieder der tätigen Wirtschaft von Produktion und Konsum zurückgegeben wird. Denn die Finanzkrise hätte endgültiger Anlass sein müssen, die zu Tage getretenen Konflikte zu Gunsten der produktiven Wirtschaft zu lösen.
Stattdessen soll mit «Netto-null» die Wirtschaft West- und Mitteleuropas geschwächt und Geld und Produktion in die USA verlagert werden – während nun die Bodenschätze Russlands nach Indien und China fliessen. Wem soll das nützen?
Keine Deindustrialisierung
Die Deindustrialisierung wird den KMU dadurch schmackhaft gemacht, dass behauptet wird, die alternative Energieproduktion biete ungeahnte Möglichkeiten der Innovationsentwicklung. Das stimmt, wenn man mit billiger Energie diesen Innovationsprozess angehen würde. Das heutige Vorgehen hingegen, die fossile Energie zu verteuern, führt lediglich zu einem weiteren wirtschaftlichen Konzentrationsprozess, was nur im Interesse der grossen Finanzinvestoren liegen kann. So beschränkt der «Green New Deal» die Innovation auf einen sehr schmalen Bereich von IT und erneuerbarer Technologie, was nicht funktionieren kann und nur der Realwirtschaft schaden würde.
Die Vertreter von «Klimaschutz als Assetklasse» behaupten, durch profitable Investitionen in die nachhaltige Energieproduktion z.B. über den Emissionszertifikatshandel neue Marktmechanismen zu Gunsten des Umweltschutzes zu schaffen und mit regulierten «nachhaltigen» Finanzierungsanlagen die Finanzkrise aus dem sich ausweitenden Sumpf zu ziehen.
Der Öffentlichkeit wird vorgegaukelt, dass mit einem Bruchteil der bisher verwendeten Energien und Ressourcen Wachstum und Wohlstand geschaffen werden könne. Denn das wäre die Voraussetzung, dass die «Klimaassets» auch Gewinn abwerfen können. Doch dazu wird es nicht kommen. Die Krise nimmt immer mehr ihren globalen kriegerischen Verlauf.
Die einzige Gewinnquelle würde dann nur noch in der zunehmenden Kannibalisierung des eigenen Wirtschaftsraumes bestehen. Der Mittelstand muss diesen Vorgang endlich durchschauen und diese Art von aufgezwungener falscher ökologischer Reform endlich auf die Füsse stellen.
Hans Bieri
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Die SVIL, Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft, ist ein privatrechtlicher Verein, der im Interesse der Ernährungssicherheit gemeinnützig handelt. In den Statuten sind der Schutz des Schweizer Bodens und seine rationelle Nutzung als Hauptziel genannt. Im Vordergrund steht die Erhaltung und Förderung des Bodens als erneuerbare Ressource und sichere Ernährungsgrundlage.
Zur Person: Hans Bieri, dipl.Arch.ETH/SIA ist Raumplaner, seit 1988 als Geschäftsführer und seit 2004 als Vorstandsvorsitzender im Dienst der SVIL tätig. Dem Gründungsimpulses der SVIL folgend, setzt er sich ein für die Stärkung einer krisenfesten, die Souveränität sichernden Ressourcengrundlage.