Die Firma Dryden Aqua im solothurnischen Büsserach hat ein weltweit einzigartiges Produkt zur Wasserreinigung entwickelt. Das aktivierte Filtermaterial (AFM) kommt in Aquakulturen, Aquarien, Pools, aber auch bei der Reinigung von Trink- und Abwasser zum Einsatz. Sein Erfinder denkt bereits weiter: Er will die Weltmeere gesünder machen. Die «Umwelt Zeitung» erhielt einen exklusiven Einblick in die rundum nachhaltigen Produktionsprozesse des Schweizer Wundermittels.
Das Fabrikgebäude fällt schon bei der Anfahrt auf. Fährt man vom Mittelland herkommend über den Juraübergang Passwang ins Schwarzbubenland hinunter, erreicht man das Dorf Büsserach mit etwas über 2200 Einwohnern. Im Industriequartier am Ortsrand überraschen den Besucher die in verschiedenen Grüntönen schimmernden Fassaden der im selben Komplex untergebrachten Unternehmen Aqua Solar und Dryden Aqua. Die Aussenhülle ist vollständig mit Solarpanels bestückt, ebenso das weitläufige Dach. Je nach Sonneneinstrahlung leuchten die Panels in dunklerem oder hellerem Grün.
Die Solaranlage reicht aus, um den ganzen Strombedarf der Fabriken von 750’000 kWh zu decken. An die Aussenwand angebrachte Tesla-Batterien der neusten Generation dienen der Speicherung des Stroms und tragen zur Netzstabilität bei. Dieses technische Detail ist kein Zufall: «Ich bin ein grosser Fan von Tesla-Gründer Elon Musk», sagt Dominik Graf mit einem breiten Lächeln. Dem 55-jährigen studierten Ökonomen gehört die Aqua Solar Holding, die als Grosshändlerin im Bereich Schwimmbad- und Filtertechnik Marktführerin in der Schweiz ist. «Doch mein Herz hängt an der Dryden Aqua AG», sagt Graf, und man spürt seine Begeisterung.
So funktioniert das aktivierte Filtermaterial
Denn die Dryden Aqua ist weit mehr als eine erfolgreiche Ausweitung der Geschäftstätigkeit. Mit der neuen Firma und ihrem Produkt verfolgt Dominik Graf eine Mission. Ganz allgemein gesagt: Er will damit durch technische Innovation und nachhaltige Produktion zu einer saubereren Umwelt beitragen. Was das konkret heisst, zeigt er der «Umwelt Zeitung» in einem exklusiven Rundgang durch das Fabrikgelände.
Wir beginnen mit einer Einführung in seinem Büro, in dem neben anderen Gegenständen eine Schottenfahne ins Auge sticht. Es ist eine Reverenz an Dr. Howard Dryden. Der schottische Meeresbiologe ist der Erfinder des aktivierten Filtermaterials (AFM), das Dominik Graf jetzt erfolgreich in der Schweiz herstellt und weltweit vertreibt. Dryden sei ein «Nerd», sagt Graf, ein genialer Wissenschaftler und Tüftler. Das Geschäftliche liege ihm weniger. Dafür sind Dominik Graf und Philipp Meyer zuständig; der ehemalige Chef von Hilti Schweiz ist ebenfalls an Dryden Aqua beteiligt.
Die Idee von Howard Dryden war es, eine Technologie zur Wasserfilterung in Pools und anderen Anlagen zu entwickeln, die schädliche Chlornebenreaktionsprodukte wie Chloroform oder Trichloramin verhindert. Die Lösung fand der Erfinder im aktivierten Filtermaterial. Die sogenannte Aktivierung verleiht der Oberfläche des Filtermaterials AFM katalytische Eigenschaften. An der Kornoberfläche bilden sich freie Radikale, welche AFM vor der Besiedelung durch Bakterien schützen. Dieser Eigenschaft verdankt das AFM seine herausragende Filterfähigkeit über viele Jahre.
Recycling von A bis Z
Dominik Graf lernte Howard Dryden 2006 kennen, und seither habe er eine «schwere Dryden-Virus- Infektion», scherzt er. Sie führte dazu, dass er sich 2012 an Drydens damals defizitärer Firma beteiligte und Millionen in die gemeinsame Vision einer Welt mit saubererem Wasser investierte. 2017 entschied er sich, eine zweite Produktion in der Schweiz zu bauen. In Büsserach investierte er 12 Millionen Franken in Gebäude und nochmals 12 Millionen in die Ausrüstung mit moderns- ten, eigens für die Produktion von AFM entwickelten Anlagen. Am 23. Januar 2020 fand dann das grosse Eröffnungsfest in Basel statt – mit Kilt und Ceilidh, dem traditionellen schottischen Tanz.
Für die Besichtigung der Produk- tionsanlagen schlüpfen wir in einen weissen Kittel, setzen Cap und Kopfhörer auf. Draussen auf dem Vorplatz fahren Lastwagen vor. Sie bringen das Rohmaterial zur Herstellung von AFM: Recycling-Glas. Es werde ausschliesslich grünes und braunes Glas verwendet, erklärt Dominik Graf. Denn das weisse Glas enthält keine Metalloxide, die es zur Aktivierung des Filtermaterials braucht.
In verschiedenen Arbeitsschritten wird das Glas gewaschen, zerkleinert, aufbereitet und verpackt. Dabei ist Nachhaltigkeit garantiert, nicht nur durch die fabrikeigene Solarstromherstellung: Zum Waschen des Glases wird Regenwasser verwendet und wieder auf- bereitet. Und der übrigbleibende Schlamm wird einer lokalen Biogasanlage zugeführt. «Der ganze Produktionsprozess läuft inner- halb einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft ab», betont Graf.
Bei der Dekontamination des Altglases kommen verschiedene Verfahren zur Anwendung: Ein Magnet entfernt Eisenmetalle, und eine Wirbelstromanlage bläst nicht-eisenhaltige Metalle wie Aluminium weg. Loses Papier oder Kunststoffe werden in einem nächsten Schritt abgesaugt. Nachdem die gröbsten Fremdpartikeln beseitigt sind, kommt das Glas in eine Spiralwaschanlage. Die Glasstücke reiben sich aneinander. So werden die Reste von Etiketten, Klebstoff, Zucker oder Alkohol entfernt. In weiteren Waschgängen wird das Glas anschliessend so lange bearbeitet, bis es praktisch rein ist. Das Resultat ist beeindruckend: Pro Tonne AFM finden sich weniger als 10 Gramm lose organische Teilchen.
Schwermetalle und Mikroplastik werden herausgefiltert
Nun werden die Glasstückchen zu unterschiedlichen Korngrössen gemahlen und gesiebt. Damit sind sie bereit für die Aktivierung, die aus dem handelsüblichen Recycling- Glas das besondere Filtermaterial macht. Dies geschieht in einem dreistufigen chemischen und thermischen Verfahren. Es macht die Glaspartikel bioresistent und verleiht ihnen ihre herausragende Filtrationseigenschaften zur umwelt- schonenden Wasserreinigung: Zum einen wird die Oberfläche negativ geladen. Damit können positiv geladene Stoffe wie beispielsweise Schwermetalle aus dem Wasser herausgefiltert werden. Zum anderen erhält das AFM eine wasserabstossende Oberfläche. Dies dient dazu, organische Stoffe und Mikroplastik zu isolieren.
Am Ende der Produktionskette steht die vollautomatische Verpackungsanlage, wo das aktivierte Filtermaterial in Säcke abgepackt und auf Paletten gestapelt wird.
Zum Kreislaufgedanken gehört schliesslich, dass das von den Kunden verwendete AFM nicht einfach entsorgt, sondern der Wiederverwertung zugeführt wird.
Gesunde Shrimp-Farmen
«Wir haben alles as green as pos-sible gemacht», also so grün und umweltschonend wie möglich, sagt Umweltunternehmer Graf. Was für die Herstellung gilt, gilt erst recht für die vielfältigen Anwen- dungsgebiete des aktivierten Filtermaterials. Es wird nicht nur in Schwimmbädern eingesetzt, wo es die herkömmlichen Sandfilter ersetzt. Verbreitung findet es auch in Aquarien und Aquakulturen sowie bei der Reinigung von Trinkwasser, Abwasser und Prozesswasser (zum Beispiel bei Kühlvorgängen in der Industrie).
Ein anschauliches Exempel liefern die Shrimp-Farmen in Vietnam, wo bei der traditionellen Aufzucht der Crevetten massenhaft Antibiotikum eingesetzt wird. Dank AFM und einem verbesserten Belüftungssystem wird der Antibiotika-Einsatz um ganze 95 Prozent reduziert.
Das wahre CO2-Problem liegt im Meer
Aber Howard Dryden, der geis- tige Vater des Projekts, denkt bereits weiter. Im Visier hat der leidenschaftliche Forscher die verschmutzten Meere. Er ist überzeugt, dass der im Zuge der Klimadebatte heissdiskutierte CO2-Ausstoss in die Atmosphäre irrelevant sei im Vergleich zur CO2-Ablagerung in den Meeren. Seine Diagnose: Das Plankton, welches CO2 bindet und Sauerstoff produziert, stirbt ab. Dies führe über kurz oder lang dazu, dass das maritime Ökosystem kollabiere. Und dies werde auch Aus- wirkungen haben auf Land und Luft. Ein ganz konkrete «Weltverbesserung», wie sie die Umweltpioniere Dryden und Graf antreibt, könnte darin liegen, die Abwässer so aufzubereiten, dass sie sauber ins Meer gelangen. Eine mögliche Lösung sei eben das AFM: Es filtert den Mikroplastik aus dem Wasser, der wiederum Gifte anzieht und in die Nahrungskette gelangt.
Der schottische «Nerd» Howard Dryden und sein solid-schweizerischer Unternehmerkompagnon Dominik Graf arbeiten weiter mit Hochdruck an der Verwirklichung ihres Traums einer saubereren (Wasser-) Welt. Dafür packt Graf auch gerne handfest mit an: Jede Woche arbei-tet der Chef einen Tag in der Produktion mit, in Übergewand und Gummistiefeln.
Wenn Machertypen wie er von einer «besseren Welt» reden, dann ist das keine Phrase. Es ist handfeste Arbeit und ein mutiges «Green Investment», für das sie persönlich das unternehmerische Risiko tragen.
Dr. Philipp Gut