Die Windenergie hat hierzulande grundsätzliche Probleme: Erstens ist die Schweiz ein Schwachwindland. Und zweitens fehlt der Platz, denn das Land ist kleinräumig und dicht besiedelt. Die Landschaft leidet hier besonders.
In den Ferien zieht es uns in die Berge oder ans Meer. Gestresste Stadtbewohner suchen intakte Landschaften, um sich zu erholen oder Freizeitsport zu betreiben. Eine schöne Landschaft löst Glücksgefühle aus. Sie ist aber auch eine seelische Ressource und gehört zu unserer Heimat und Identität. Landschaft ist wertvoll. Das wirkt sich auch finanziell aus: Eine schöne Umgebung und Aussicht erhöht den Preis einer Immobilie.
Der Stierenberg an der Grenze zum Kanton Luzern ist eine intakte Landschaft und für die Bevölkerung der umliegenden Ortschaften ein Natur- und Naherholungsparadies. Doch die Idylle ist bedroht: Auf Luzerner Seite im Gemeindegebiet von Rickenbach sind drei Windkraftanlagen geplant.
Landschaftseingriffe
«Natura non facit saltus» – die Natur macht keine Sprünge, erkannte man schon in der Antike. Ästhetisch ansprechende Landschaften haben weiche Übergänge und fliessende Linien. Dagegen werden unvermittelte harte Kanten, Ecken und Geraden als unschön und störend wahrgenommen. Windkraftanlagen sind solche Objekte, die sich nicht in die Landschaft integrieren lassen. Einmal aufgrund ihrer gigantischen Grösse – Höhe über 200 Meter und Rotordurchmesser 160 Meter – und zweitens durch den bewegten Roter, der den Blick auf sich lenkt. Solche Anlagen verwandeln die Landschaft in eine Industriezone. Das Landschaftsbild ist zerstört und die Attraktivität der Gegend sinkt, und zwar in jeder Hinsicht.
Der Pferdefuss der Windenergie
Seit der Energiewende gibt es einen Angriff auf Landschaft und Natur durch Windkraftprojekte. Kann die Windenergie zur Lösung des Energieproblems beitragen?
Windenergie in der Schweiz hat zwei grundsätzliche Probleme: Erstens ist die Schweiz ein Schwachwindland. Das Windpotential ist für eine effektive Energiegewinnung viel zu gering. Projekte sind nur mit massiven Subventionen möglich. Und zweitens fehlt der Platz, denn die Schweiz ist kleinräumig und dicht besiedelt. Ein angemessener Abstand zu Wohngebieten wird nicht eingehalten, und die Anwohner sind den negativen Emissionen Schattenwurf, Infraschall, Eiswurf, nächtliche Befeuerung ausgesetzt.
Eine moderne Grosswindkraftanlage im Schwachwindgebiet produziert um die 5 GWh/Jahr. Zum Vergleich: Wasserkraftwerk Rheinfelden 600 GWh, gesamter Schweizer Stromverbrauch 58’100 GWh im Jahr 2020. Mit einer Windkraftanlage kann man den Pro-Kopf-Anteil von 700 Einwohnern decken. Allein für die im Jahre 2021 zugewanderten 70’000 Personen wären 100 Windkraftanlagen nötig. Windenergie kann in der Schweiz nur einen marginalen Beitrag zur Stromversorgung leisten, zerstört aber wertvolle Landschaften.
Windräder töten
Im November 2021 fand man einen toten Steinadler auf dem Gelände des grössten Windparks der Schweiz auf dem Mont Crosin. Das Tier war durch ein Windrad regelrecht geköpft worden. Es hatte zudem massive Verletzungen und Knochenbrüche. Der Steinadler, der «König der Lüfte», ist gefährdet und streng geschützt.
Die Rotoren töten Vögel und Fledermäuse. Eine Studie der Vogelwarte Sempach hat für den Standort Peuchapatte JU eine Anzahl von 20 Schlagopfer pro Anlage und Jahr ergeben. Fledermäuse sterben an einem Barotrauma, die Druckschwankungen hinter den Rotorblättern zerfetzen die inneren Organe. In Deutschland rechnen Naturschützer mit 100 getöteten Fledermäusen pro Anlage und Jahr. Der besorgniserregende Biodiversitätsschwund wird dadurch weiter angetrieben.
Wo steht der Windenergieausbau?
Aktuell gibt es in der Schweiz 40 Grosswindkraftanlagen mit einer Stromproduktion von 0.24 Prozent des Stromverbrauches. Konkret sind knapp 40 Windpark-Projekte in Planung, ein Dutzend davon in der Deutschschweiz, zwei Dutzend in der Romandie. Das Ausbauziel der Energiestrategie 2050 von 7 Prozent des Stromverbrauches hat sich längst als unrealistisch erwiesen. Der Ausbau hinkt den Zielen weit hinterher, das Ziel für 2020 von 660 GWh wurde mit 144 GWh mehr als deutlich verfehlt.
In Aargau sind fünf Windenergiezonen im Richtplan ausgewiesen, in Burg und auf dem Lindenberg sind konkrete Projekte schon weit fortgeschritten. Der Druck steigt. Jetzt werden auch Windkraftanlagen im Wald geplant, früher ein absolutes Tabu. Im Thurgau ist der ganze Windpark Thundorf im Wald geplant, im Schaffhausen der Windpark Chroobach, im Waadtland wird jetzt gerade in Sainte-Croix geholzt, im Luzernischen ist der Windpark Stierenberg im Wald geplant und im Aargau der Windpark Burg.
Demokratische Mitbestimmung der Bevölkerung
In Fribourg kam es im Juni 2021 zu einem denkwürdigen Verdikt: Die beiden Gemeinden Vuisternenes-devant-Romont und La Sonnaz lehnten Windkraftanlagen auf ihrem Gemeindegebiet mit 89 und 99 Prozent ab. Immer wieder scheiterten Windkraftprojekte am Widerstand der Bevölkerung. Beim Stierenberg gingen die Gegner sogar in die Offensive und lancierten eine Gemeindeinitiative zur Unterschutzstellung, die auf der Gemeindeversammlung mit deutlicher Mehrheit angenommen wurde.
Bei Abstimmungen zum Thema Windenergie seit 2011 wurden in 55 Prozent der Fälle die Vorlagen von den Stimmbürgern abgelehnt. In den Jahren 2019–2021 hat die Bevölkerung in 12 von 15 Abstimmungen das ihr vorgelegte Windparkprojekt abgelehnt, also in 80 Prozent der Fälle.
Droht eine Ökodiktatur?
Es mehren sich die Stimmen und Vorstösse, die die Berücksichtigung des Landschafts- und Naturschutzes zugunsten der Energiegewinnung zurückstellen und die demokratische Mitbestimmung einschränken möchten. Eine aktuelle Vorlage zur Änderung des Energiegesetzes möchte die Gemeinden bei grösseren Energieprojekten entmachten. Der Gewerbeverband forderte, Einsprachen bei Energieprojekten ganz abzuschaffen. Und schon wird gefordert, dass der Bund das Heft in die Hand nimmt und das Mitspracherecht von Kantonen, Gemeinden und Verbänden beschneidet.
Elias Meier, Präsident des Verbandes Freie Landschaft Schweiz, der mit schweizweit 52 Mitgliedsorganisationen gegen Windräder kämpft, sagt zur aktuellen Situation: «Vor allem seit dem letzten Sommer ist der Druck auf naturbelassene Landschaften exponentiell gestiegen». Nichts ist mehr heilig, weder der Rheinfall bei Schaffhausen noch die Rigi, die Königin der Schweizer Berge.
Siegfried Hettegger
Zur Person: Siegfried Hettegger ist Präsident von Pro Landschaft Schwyz und von Beruf Informatiker. Er war Initiant des Vereins LinthGegenwind, der 2019 in Glarus einen Windpark verhinderte.