Barbara und Markus Schütz vom Bio-Schütz-Hof in Strengelbach setzen mit ihrem Projekt «Güggelglück.ch» aus moralischer, ethischer und ökologischer Sicht einen neuen Standard im Bereich einer zeitgemässen Hühnerhaltung. Auf ihrem Betrieb werden die männlichen Küken auch aufgezogen. «Güggelglück.ch» steht für den Bruderhahn, aber auch für den Kreislauf-Gedanken in der Hühnerhaltung. Im Zentrum steht das Tier als auch der Konsument, der diesen Kreislauf respektiert und bereit ist, zusammen mit den Bauern den Weg der Veränderung zu gehen.
Sie haben sich vor zwei Jahren entschieden, keine Bruderhähne mehr zu töten. Was hat Sie zum Umdenken bewogen? Markus Schütz: Persönlich sind wir schon lange überzeugt, dass dieser Umstand äusserst suboptimal ist. Der öffentliche Druck hilft bei einer solchen Entscheidung. Denn am Anfang steht die Überzeugung, aber schlussendlich braucht es den Konsumenten, der mithilft die Situation zu verändern. Um den Bruderhahn erfolgreich verkaufen zu können, benötigt es für die Konsumenten umfassende Informationen. In diesem Sinne ist ein Skandal, respektive negative Presse ganz gut, damit man sich auch weiterentwickeln kann. Jetzt war die Zeit reif für uns und für den Konsumenten.
Welche Bilanz können Sie jetzt nach zwei Jahr bezüglich Ihres Projektes «Güggelglück» ziehen? Die Entscheidung war absolut richtig. Der Kunde hat die Veränderung sehr gut aufgenommen und das «neue» Fleisch gekauft. Viele Kunden haben uns zu diesem Schritt gratuliert, was uns motiviert und sehr freut.
Wie war bis jetzt die Reaktion in der Branche? Aus der Biobranche hatten wir einerseits viele positive Reaktionen, anderseits ist eine gewisse Zurückhaltung zu spüren. Es sind eben noch viele Ängste da: Wird das Fleisch wirklich gekauft? Kann ich diese Umstellung kostendeckend realisieren? Es freut uns besonders, dass unser Projekt für den Agropreis der Emmental Versicherung nominiert ist. Das grosse mediale Interesse auf sämtlichen Kanälen gibt der Branche wieder einen Anstoss und motiviert andere Landwirte, die eigene Umsetzung zu realisieren. Auch in der «konventionellen» Eierbranche wird das Projekt wahrgenommen und als gute Lösung für die Biobranche gutgeheissen. Allerdings bevorzugt die konventionelle Eierbranche für sich selbst eine andere Lösung – nämlich die Geschlechtsbestimmung im Ei. Diese Methode soll zwischen dem 9 bis 13 Tage gemacht werden können. Die Lösung ist aber auch noch nicht auf dem Tisch.
Sie sind mit dem Projekt «Güggelglück» für den Agropreis 2023 nominiert. Was bedeutet Ihnen dies? Dies freut uns sehr und ist eine persönliche Bereicherung. Nebst der Produktion lernen wir damit etwas Neues kennen. Dies setzt viel Öffentlichkeitsarbeit voraus, aber genau dies hat unsere Branche nötig.
Das Töten der Küken ist nach wie vor ein schweizweites Thema. Wieso und wie gross ist das Umdenken? Das Töten der Küken ist ein ethisches Problem – es ist ein Abbild von der «industriellen» Landwirtschaft, ein Abbild aus vergangener Zeit: Alles muss schneller, alles muss effizienter, alles muss günstiger werden. Bei der Tierhaltung gibt es aber Grenzen. Diese wurden mit dem Töten der männlichen Küken leider überschritten. Der Konsument, aber auch wir Produzenten haben uns verändert und wir machen uns mehr Gedanken diesbezüglich als noch vor 30 Jahren.
Das Aufziehen von Hähnen in der Landwirtschaft ist neu. Was sind dabei die grössten Herausforderungen und der grösste Aufwand? Dies ist für uns Bauern keine Herausforderung, obwohl der Güggel ein «neues» Tier ist. Er ist lebendig, aktiv, fliegt gerne und liebt den Weideauslauf. Es ist aber unser Metier, Tiere grosszuziehen und wir machen dies gerne. Der Verkauf der Produkte ist für uns Bauern schwieriger und die eigentliche grosse Herausforderung. Allerdings gilt dies nicht nur beim Bruderhahn, sondern auf der ganzen Bandbreite der landwirtschaftlichen Produktion.
Sie haben auf dem Schütz-Hof rund 6’000 Hühner. Wie leben diese Tiere? Die Tiere werden nach den Richtlinien der Bio Suisse gehalten. Wir haben grosszügige Stallungen und die Tiere haben viel Weideauslauf. Gerne zeigen wir unseren Betrieb und sind immer bereit, unsere Hühnerhaltung dem Konsumenten zu zeigen.
Wie viel Bruderhähne ziehen Sie auf und was passiert nach der Aufzucht? In diesem Jahr ziehen wir 3’500 Tiere auf. In Zukunft werden diese im Durchschnitt rund 3’000 Tiere sein – denn so viele Tiere brauchen wir für die Nachzucht der Hennen. Wir lassen unsere Hennen nun länger leben, weil dies unsere Ressourcen schont: Je länger die Hennen leben, desto weniger Junghennen und Brüder müssen aufgezogen werden. Nach der Aufzucht verkaufen wir alle Bruderhähne bei uns im Hofladen als «Güggelglück».
Sie agieren auf Ihrem Hof nach den Richtlinien von Bio Suisse. Was heisst dies konkret? Nebst vielen Richtlinien betreffend der Tierhaltung muss der gesamte Hof nach den Richtlinien der Bio Suisse geführt werden. Dies bedeutet für mich, dass es auch eine grosse Überzeugung braucht, dass dies der richtige Weg ist. Wir sehen den Betrieb als Kreislauf – denn alles hängt zusammen: Die Tiere schenken uns Eier und Fleisch, aber auch Dünger für die Felder. Die Felder liefern uns Gemüse als Nahrung für die Menschen und Getreide als Futter für unsere Tiere. Für uns ist wichtig, dass dies bezüglich Qualität und Quantität zueinanderpasst.
Auf Ihrem Biohofladen kann man die Eier aber auch Güggelfleisch kaufen. Wer kauft bei Ihnen ein und was erwartet Ihre Kundschaft? Die Kundschaft ist sehr breit. Wir haben Kunden, die kaufen nun bereits seit drei Generationen bei uns Eier und andere Produkte und haben vertrauen zu uns und unserem Sortiment. Grundsätzlich sprechen wir mit unserem Angebot Leute an, die bewusst und nachhaltig einkaufen und teilweise auch gerne mehr Informationen haben wollen. Genau solche Leute sind für uns interessant.
Was wünsche Sie sich für die Zukunft für Ihr Pionierprojekt «Güggelglück»? Wir hoffen, dass die Branche nachzieht und wir das Problem nun wirklich lösen können.
Interview: Corinne Remund
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Das Projekt «Güggelglück»
Das Projekt «Güggelglück» ist neben drei weiteren Projekten aus über 40 Dossiers für den Agropreis 2023 nominiert. Der Agropreis ist ein seit 1993 jährlich stattfindender Wettbewerb der Emmental Versicherung unter dem Patronat des Schweizer Bauernverbandes für die Auszeichnung von Innovation der Landwirtschaft. Die 31. Preisverleihung wird am 2. November im Kursaal Bern stattfinden.
Ab dem 1. Januar 2026 will Bio Suisse das Töten dieser Bruderhähne generell verbieten, was laut Urs Brändli – Präsident der Bio Suisse – eine Herausforderung darstellt. So ist er sehr erfreut über die erste erfolgreiche Umsetzung für das angestrebte Ziel und spricht von einem wahren Leuchtturm-Projekt für die Branche.