Biodiversität: Hat der Hauseigentümerverband Aargau die Zeichen der Zeit nicht erkannt?

    Der Hauseigentümerverband Aargau macht die Unterstützung für Nationalratskandidatinnen und -kandidaten u.a. von der Gegnerschaft gegen eine Motion abhängig, welche die Biodiversität im Siedlungsraum fördern will. Eine grosse Mehrheit des Grossen Rates überwies die Motion als Postulat. Die Motionärinnen und Motionäre gehörten allen politischen Lagern an von grün, grünliberal, über Mitte bis zur SVP. «Die Haltung des HEV Aargau ist unverständlich und anachronistisch» sagt Matthias Betsche, Geschäftsführer Pro Natura Aargau, selber Grossrat und Nationalratskandidat.

    (Bilder: zVg) Matthias Betsche in seinem Element – Natur und Landschaft.

    Die Landwirte leisten viel für die Biodiversität, manche mit sehr grossem Engagement. Trotzdem verliert die Natur laufend an Boden und Arten. Die bauliche Entwicklung in unserem Land erfolgt oftmals zu Lasten von Landwirtschaftsflächen und von Grün- und Freiflächen im Siedlungsgebiet. Die Versiegelung des Bodens nimmt zu, die Artenvielfalt ab. Die Förderung der Biodiversität auch im Siedlungsraum ist daher ein Gebot der Stunde.

    Ein Expertenbericht des Bundes kommt zum Schluss, dass allein für den Erhalt der Biodiversität im Mittel 18 % eines Stadtgebiets als Grünflächen mit hoher ökologischer Qualität zu gestalten sind. Im Weiteren benötigt es eine Vielzahl an unversiegelten Kleinflächen und Bäumen. 2022 forderten daher Grossrätinnen und -räte von links bis rechts, in einem Vorstoss, dass das Siedlungsgebiet seinen Beitrag an die Biodiversitätsförderung leisten sollte.

    Für den HEV Aargau war dieser Vorstoss für Biodiversität im Siedlungsraum aber u.a. ein Kriterium, Kandidatinnen und Kandidaten für die Nationalratswahlen nicht zu empfehlen. So erging es auch dem bisherigen FDP Nationalrat Matthias Jauslin und der Mitte Kandidatin, Christina Bachmann-Roth, welche beide vom HEV Aargau nicht zur Wahl empfohlen wurden.

    Ein paar Zentimeter mehr unter dem Zaun und dem Igel wäre geholfen.

    «Die Haltung des HEV Aargau gegen die Förderung der Biodiversität im Siedlungsraum ist unverständlich und anachronistisch» sagt Matthias Betsche, Geschäftsführer von Pro Natura Aargau und GLP-Grossrat: «Ich bedauere das sehr. Dies erstaunt umso mehr, als der HEV Aargau selber in seiner Mitgliederzeitschrift regelmässig auf die Wichtigkeit der Biodiversität hinweist. Naturnahe Gärten statt Steinwüsten, Vielfalt statt Eintönigkeit auf öffentlichen Grünflächen, und die Förderung von einheimischen, seltenen oder bedrohten Arten – das sind Werte, die auch viele Mitglieder des HEV Aargaus teilen». Matthias Betsche hofft, dass die Basis des Aargauer Hauseigentümerverbands den Irrtum der Verbandsspitze einsieht und – jetzt erst recht Leute mit Herz für die Biodiversität wählt!

    Wer die Haltung des HEV Aargaus betreffend Biodiversitätsförderung im Siedlungsraum als Mitglied nicht mittragen will, hat Alternativen. «Als Beisitzer der Casafair Sektion Mittelland kann ich das Engagement von ‹Casafair› empfehlen. Casafair setzt sich als Verband der umweltbewussten und verantwortungsvollen Wohneigentümer/innen für die Stärkung der Biodiversität und für eine intakte Umwelt ein», erklärt Matthias Betsche.

    Schottergärten und Kirschlorbeer bieten einheimischen Tieren keinen Raum.

    Der Geschäftsführer von Pro Natura Aargau sieht in der Aufwertung des Siedlungsraums grosses Potential. Matthias Betsche: «Die Natur macht nicht Halt an der Siedlungsgrenze. Sie ist im Siedlungsraum aber zugleich unter grossem Druck. Gerade die öffentliche Hand muss hier auch ihre Vorbildfunktion wahrnehmen und für mehr Naturflächen sorgen. Öffentliche Grünflächen im Siedlungsraum wie Parks, Schulanlagen, Friedhöfe sowie Strassenböschungen sind naturnah zu gestalten und zu vernetzen».

    pd / Pro Natura Aargau

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