Sollte es zu einer Strommangellage kommen, darf die Wäsche nicht über 40 Grad gewaschen werden. Man darf nicht streamen, aber TV ist erlaubt. Man sitzt zu Hause bei 19 Grad, aber im Hotel bei 20. Das Telefon, auch die Handys, werden abgestellt. Und diese Regeln sind nur der Beginn.
Schon am Tag, als der Bundesrat seine Pläne für eine Strombewirtschaftung im Fall einer Mangellage präsentiert hatte, kritisierten viele die vorgeschlagenen Massnahmen als «unverhältnismässig und potenziell existenzgefährdend».
Aus Kreisen der Wirtschaft, der Kantone und des Konsumentenschutzes kam ein vernichtendes Urteil. «Die unterbreitete Vorlage ist lückenhaft, die Entwürfe sind realitätsfremd und alles andere als verhältnismässig», so der Schweizerische Gewerbeverband. «Die unterbreiteten Vorschläge zeugen von regulatorischer Wahnvorstellung» urteilte das Centre Patronal in Lausanne.
Regulatorische Wahnvorstellung
Die vorgeschlagenen Massnahmen berücksichtigten weder die legitimen Interessen der Wirtschaft und Gesellschaft noch seien sie in der Lage, die bereits unternommenen Sparanstrengungen einzubeziehen. «Der granulare Eingriff in die Freiheit der Lebensführung der Menschen und in die Wirtschaftsfreiheit basiert auf einer leicht widerlegbaren Fiktion zentralplanerischen Informationsvorsprungs.» Das ist das Urteil von swissmechanic, dem Arbeitgeberverband der KMU in der MEM-Branche.
Besonders deutlich werde diese Fiktion, wenn man bedenkt, dass die Kontingentierungspläne zu einer Abschaltung der Telekommunikation führen würden. Man stelle sich vor: Es herrscht eine Krise und die Leute dürfen nicht telefonieren. Auch die Krisenkommunikation, welche vom Betrieb der Telekomnetze abhängig ist, wäre ausgeschaltet. Nicht umsonst befürchten die kantonalen Sicherheitsdirektoren schlimme Zustände, falls der Bundesrat diese Massnahme ergreift.
Telekommunikation muss sein
Sollte es zu einer «Sofortkontingentierung» kommen, so müssten die Telekommunikationsunternehmen zwingend davon ausgenommen werden. Falls auch diese ihren Stromverbrauch reduzieren müssten, so bedeute dies im Ernstfall, dass Teile der Mobilfunknetze und der Festnetze faktisch abgeschaltet werden müssen. Damit kollabiert das Schweizer Netz.
Die Telekomnetze in der Schweiz sind für kurzfristige rund einstündige Stromausfälle gewappnet, nicht aber für den reduzierten Betrieb während einer längeren Strommangellage. Im Übrigen: Der Ausfall des Mobilfunknetzes wird im Bericht zur nationalen Risikoanalyse des Bundes vom November 2020 – also deutlich vor der heutigen Diskussion über einen allfälligen Strommangel – «als drittgrösstes Risiko für die Schweizer Volkswirtschaft» eingestuft.
Eine funktionierende Telekommunikation ist Grundlage beinahe aller heutigen Dienstleistungen für Bevölkerung und Wirtschaft. Notrufe, Bewirtschaftung im Lebensmitteldetailhandel, im Finanzwesen, Transport und Verkehr sowie öffentliche Sicherheit seien auf Telekommunikation angewiesen.
Branchen-Sparpläne als Lösung
Besondere Kritik gilt dem mangelhaften Einbezug von Sparplänen, welche durch die Branchen selbst erarbeitet worden sind: Unternehmen, Wertschöpfungsketten und Branchen, welche selbstständig Massnahmen ergreifen, um den eigenen Energieverbrauch zu senken, diese Massnahmen dokumentieren und dadurch ihren Verbrauch um mehr als zehn Prozent senken konnten, sollten von allfälligen weiteren Sparmassnahmen ausgenommen, der Beweis dieser Einsparungen Sache der Unternehmen sein.
Mit den Branchen-Sparplänen alleine könnte die Schweiz aus der Mangellage wieder herauskommen. Verschiedene Branchen haben solche Pläne bereits erarbeitet. Auch Branchenneutrale Pläne liegen vor. Weil sie von den Unternehmen selbst kommen, sind sie verhältnismässig und weniger intrusiv als die anderen Regeln.
Warum will der Bundesrat davon nichts wissen? Es ist vermutlich schöner, Luftschlösser zu bauen und Wolken zu schieben. Leider ist es nicht nützlicher.
Henrique Schneider