Sonnenfahrt – ein Zug mit Solardach

    Für die Schweizerische Südostbahn AG (SOB) spielt die Reduzierung ihres Energiebedarfes und damit ihrer Betriebskosten eine zentrale Rolle. Deshalb beauftragte das Unternehmen die Swiss CMT AG, Spezialistin für Leichtbau-Projekte, mit einem Konzept zur Verbesserung der Energiebilanz ihrer Regionalbahnen. Zwar ist die Ausbeute auf Zugdächern wirtschaftlich eher unbedeutend, dafür sind jedoch viele Bahndächer bestens für die Stromproduktion geeignet.

    (Bild: zVg / Andreas Gerber SOB) SOB FLIRT in Fahrt (oberhalb Goldau, Schweiz)

    Auf dem Schienennetz der SOB kommen überwiegend elektrische Triebwagen von Hersteller Stadler Rail zum Einsatz. So auch der «Flirt» («Flinker leichter innovativer Regional-Triebzug»), der für den Regional- und S-Bahn-Verkehr konstruiert wurde. Dieser Niederflur-Zug zeichnet sich durch eine geringe Masse sowie hohe Beschleunigungen und Bremsverzögerungen aus. «Ihn noch effizienter zu gestalten, stellte sich als wahre Herausforderung dar», erklärt CMT-Geschäftsführer Marcel Schubiger, der auf eine umfassende Expertise mit Composite-Bauteilen für die Formel 1 verweisen kann.

    Stromverbrauch im Fokus
    «Zunächst ging es in unseren Gesprächen um aerodynamische Effekte, doch schnell wurde klar, dass an der Aussenhülle des Zuges nicht viel zu ändern war.» So rückte als nächstes der Stromverbrauch in den Fokus. Schubiger stellte dem Team ein Kundenprojekt vor, für das er ein Verstärkungslaminat für Leichtbau-Solarzellen entwickelt hatte. Und so kam das Thema Photovoltaik ins Spiel: Warum nicht das Zugdach mit Solarmodulen ausstatten? Schliesslich fährt der Zug überwiegend im Freien und verfügt über eine grosse Dachfläche. «Auch wenn es kaum möglich ist, den Strombedarf eines ganzen Zuges durch sein eigenes Solardach zu decken, wollten wir es genauer wissen», sagt der Leichtbau-Experte.

    (Bild: Swiss CMT AG) Präsentation der Machbarkeitsstudie durch Marcel Schubiger

    Machbarkeitsstudie prüft alle Optionen
    Im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Hochschule Rapperswil (HRS) wurde dann ab Februar 2017 das Einsparpotential genauer eruiert. Die Machbarkeitsstudie untersuchte sowohl die optimale Platzierung der Solarpaneele, als auch den zu erwartenden Energieertrag auf einem typischen Streckenprofil der SOB.

    Aufgrund der bescheidenen Platzverhältnisse, der Verschmutzung durch den Fahrleitungsabrieb und anderer Faktoren erwiesen sich die Dachschürzen als optimale Platzierung. «Damit die Solarpaneele konstruktiv im Dach funktionieren, müssen sie so leicht wie möglich sein – jedes Kilo Mehrgewicht zieht einen höheren Energieverbrauch nach sich. Mit einem Sandwich-Paneel kann man leicht und steif bauen. Positiver Nebeneffekt: Der Innenraum wird gleichzeitig besser wärmeisoliert. Das sind zwei Fliegen auf einen Schlag!», fasst Schubiger zusammen.

    Mobile Anlagen lohnen kaum
    Zudem zeigte die Studie, dass die Netto-Energie-Gewinnung durch die Solarmodule unter den Erwartungen der Ingenieure blieb. Zwar erzeugen die Module Strom für rund 180’000 Handyladungen pro Jahr, können aber nicht wirtschaftlich betrieben werden. «Die Investition ist mit diesem bescheidenen Strom-Ertrag nicht kostendeckend. Würde die gleiche Solar-Fläche auf einem gut ausgerichteten Dach stehen, würde sie einen rund fünffachen Output erzielen und wäre in kürzester Zeit amortisiert», erklärt Schubiger.

    Solare Sandwich-Paneele als Dachkonstruktionen
    Doch der Schienenverkehr hat den Forschergeist von Marcel Schubiger längst beflügelt: «Man kann mit Sandwichpaneelen aus einem simplen Bahnsteigdach ein smartes Energiedach machen – aber auch Schallschutzwände, Bahnhofs- und Hallendächer sind bestens für Solarpaneele geeignet. Bloss macht es bislang niemand.» Das soll sich jetzt ändern. Derzeit prüft das SOB-Team die Möglichkeiten, diese Flächen für die Produktion von umweltfreundlichem Strom zu nutzen. «Ein Leichtbau-Solar-Paneel besteht im Wesentlichen aus einem Photovoltaik-Laminat, welches auf ein strukturelles Sandwich-Paneel geklebt wird. Dieses besteht in diesem Fall aus einem glasfaserverstärkten Decklaminat, einem Kern-Werkstoff wie Schaum oder Waben-Platte sowie einem weiteren, glasfaserverstärkten Decklaminat. Ein solches Paneel kann praktisch beliebig vergrössert werden, also auch in Abmessungen von 2,5 m x 10 m. Dabei kann die Unterkonstruktion erheblich reduziert werden, um als Dach – beispielsweise auf Bahnsteigen – zu fungieren. Bei der Nutzung solcher dachintegrierten Solar-Paneele braucht man weder Ziegel noch Dachpappe und spart somit wertvolle Rohstoffe und reduziert das Eigengewicht des Daches», weiss Leichtbau-Experte Schubiger.

    So könnte schliesslich doch noch das Ziel der SOB, die Betriebskosten zu senken, erreicht werden – wenngleich über einen gewissen Umweg. Schubiger und sein Team sind stolz, auf dem heimischen Markt ein solch wegweisendes Projekt durchzuführen, da das Unternehmen bislang ausschliesslich im Ausland tätig war – mit vielfältigen Leichtbauprojekten von Korea bis Kanada und von Irland und Skandinavien bis Südafrika.

    Regine Krüger

    Vorheriger Artikel«Fasziniert vom Auto der Zukunft»
    Nächster ArtikelDas Hermelin ist Tier des Jahres