Kampfzone Windkraft

    Der Kampf gegen Windmühlen wird lokal oft fast ebenso erbittert geführt wie früher derjenige um die Kernkraft. Ist die Windenergie eine sinnvolle Alternative oder Subventions-Moloch und Landschaftsverschandelung? Die «Umwelt Zeitung» bat je zwei prominente Gegner und Befürworter, ihre Haltung darzustellen.


    PRO

    Windenergieanlagen in der Schweiz funktionieren prächtig

    (Bild: Suisse-Eole / Dominik Baumgartner) Eine liebliche Landschaft im Unesco-Biosphärereservat Entlebuch mit einem einzelnen, harmlosen Windrad am Horizont.

    Hätten wir keinen Winter (und längere Schlechtwetterperioden), bräuchten wir keine Windenergie. So simpel ist das. Denn Wasser- und Solarenergie produzieren den Löwenanteil ihres Stroms im Sommerhalbjahr, bei der Windenergie ist das gerade umgekehrt. Die Erneuerbaren ergänzen sich also prächtig. Bauen wir die Windenergie intelligent aus, sparen wir graue Energie, sprich den Zubau von Speichertechnik, um Sommerstrom für den Winter zu speichern. Und Geld: Denn jeder in die Windenergie investierte Franken spart 5 Franken Investitionen in zusätzliche Produktions- und Speichertechnik.

    Und ja, wir haben genug Wind! Rund um die Schweiz stehen rund 7000 Windenergieanlagen. Der Wind, den sie ernten, stoppt nicht an der Schweizer Grenze. Windenergieanlagen in der Schweiz erfüllen die beim Bau versprochenen Produktionswerte, 2020 haben sie sie sogar um 14 % übertroffen. Einzig der Windpark auf dem Gries enttäuscht regelmässig.

    Österreich weiss, was Sache ist: Der Windstromanteil betrug dort 2020 bereits 12 %, produziert von 1340 Anlagen. 2030 sollen es 25 % sein, die perfekt zu den 60% Wasserstrom passen. Bei uns ist das Verhältnis 42 Anlagen zu 0.25 %. Damit sind wir mit Slowenien und der Slowakei die Hinterbänkler Europas, obwohl Windstrom für die Winterstromversorgung für alle Länder in unseren Breitengraden systemrelevant ist!

    Anita Niederhäusern,
    Medienstelle Suisse Eole – Vereinigung zur Förderung der Windenergie in der Schweiz


    «Not-In-My-Back-Yard»-Effekt

    Die Realisierung von neuen Energieinfrastrukturen ist weniger eine technische als eine soziale Herausforderung, das wird vor allem bei Windprojekten besonders offensichtlich. Mit Blick auf die betroffenen Akteure sind die Spannungsfelder voraussehbar.

    Betroffene Bürgerinnen und Bürger sagen oft, dass sie weder die Energiestrategie des Bundes noch deren kantonale und lokale Umsetzungsansätze nachvollziehen können und sie deshalb auch nicht verstehen, wieso es nun ausgerechnet dieses Projekt vor ihrer Haustüre braucht. Entsprechend klagen sie über viel zu viele Unbekannte und diskutieren die Sinnhaftigkeit der übergeordneten strategischen Entscheide und Massnahmen bei jedem Projekt im Licht der je eigenen Interessen neu.

    Die politischen Akteure und die interessierten NGOs haben sich dagegen schon im Rahmen der Strategie- und Massnahmenentwicklung auf der politischen Ebene eine Meinung gemacht und unterstützen oder bekämpfen die einzelnen Projekte nach vordefinierten Mustern. Für Landschaftsschutzorganisationen beispielsweise gehören Windenergieanlagen weitgehend in schon vorbelastete Gebiete. In letzter Konsequenz heisst das: neue Anlagen möglichst in Siedlungsnähe bauen.

    Anwohner fordern hingegen vielfach, dass Windräder in den Bergen, weit weg vom eigenen Haus oder der persönlichen Alltagswelt, platziert werden. Kritiker schliesslich zweifeln, dass man in der Schweiz überhaupt genug Windvorkommen hat. Man sei zwar für den Ausstieg aus der Atomkraft und für Klimaschutz. Man sei auch nicht gegen Windenergie als solche, aber bitte nicht vor der eigenen Haustür.

    In diesem Planungsdilemma werden Windenergieprojekte in der Schweiz regelmässig aufgerieben. Am «Not-In-My-Back-Yard»-Effekt (NIMBY) scheitern insbesondere Zonenplanänderungen für Projekte, die die Landschaftsschützer mittragen würden. Umgekehrt wehren sich Natur- und Landschaftsschutzorganisationen immer wieder erfolgreich mit Einsprachen gegen Parkplanungen in abgelegenen Lagen, die die lokalen Bevölkerungen mehrheitlich tolerieren und die Ämter für gut befinden.

    Ob ein Projekt an einem gegebenen Standort Sinn macht, kann abschliessend erst beantwortet werden, wenn die konkreten Fakten zu dem spezifischen Projekt auf dem Tisch liegen. Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, sollten wir uns fragen, wie wir mit den Beteiligten zu qualitativ guten Projekten kommen oder – im anderen Fall – begründet Projekte auch nicht realisieren, wenn der Eingriff in Natur und Landschaft zu gross wird. Das spricht dafür, Projekte unter Einbezug der Stakeholder vor Ort transparent und basierende auf lokalen Fakten zu planen.

    Prof. Dr. Ruth Schmitt,
    Leiterin des Institutes für Geistes- und Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW


    CONTRA

    Rolle der Windenergie in der Schweiz massiv überschätzt

    Die Produktionsprognosen der Windkraftpromotoren sind massiv überhöht. Dies bestätigt auch das Kantonsgerichtsurteil Wallis vom 27.10.2020 in Sachen Windpark am Grossen St. Bernhard auf 2500 m ü.M.: Zwar existierten Produktionsschätzungen aufgrund von Messungen vor Ort, die zwischen 13,2 und 21,9 GWh schwankten. Abzuziehen seien aber noch zwingende Abschaltungen aufgrund des Vogelschutzes (Bartgeier) und der Fledermäuse. Dies würde einen erheblichen Minderertrag ergeben. In der Interessenabwägung, die das Gericht ebenfalls als ungenügend bemängelte, hätten diese Einbussen aufgrund der Avifauna miteingerechnet werden müssen.

    Überhaupt gibt es keine andere Branche, die derart ostentativ die Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes kleinredet, wie die Windenergiepromotoren. So musste auch im Fall Eoljoux das Kantonsgericht Waadt angerufen werden – nebst den Umweltverbänden auch vom BAFU! – weil dort die Behörden einen Windpark inmitten des Vallée de Joux aufgrund von Windmessungen durchdrücken wollten. Die Gegend gehört zum Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN) ist zudem ein Auerhuhngebiet. Das Gericht gab am 16.3.2021 auch hier den Verbänden klar Recht.

    Es gibt aber durchaus auch gute Beispiele, wo die Anliegen der Schutzverbände ernst genommen werden, wie z.B. bei der Erweiterung des Windparks Mont Crosin in Richtung Jeanbrenin. Abschaltmechanismen der Rotoren sind dort fest eingeplant. Die wenigen guten Beispiele von natur- und landschaftsverträglichen und effizienten Windanlagen belegen aber, dass die Windenergie in der Energiestrategie keine grosse Rolle spielt.

    Dr. phil. biol., Dr. h.c. iur. Raimund Rodewald
    Der Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, ist seit Jahrzehnten der wohl bekannteste Landschaftsschützer unseres Landes.

    (Bild: zVg / Stiftung Landschaftsschutz) Versuch einer realistischen Darstellung eines wahrscheinlichen Blickwinkels eines Betrachters am Grossen St. Bernhard auf die geplante Windkraftanlage.

    Umwelthysterie

    Eine Grosswindkraftanlage ist für die Bewindung von 8.5 m/s ausgelegt. Schon mit dem ersten Konzept Windenergie im Jahre 2004 hat sich die Schweiz mit 4.5 m/s begnügt, was dem achten Teil einer wirksamen Stromproduktion entspricht. Als gesetzliche Grundlage hat die Schweizer Windkraftlobby das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) kopiert. Mindestanforderungen zur Produktion werden grosszügig weggelassen, weil kaum ein Schweizer Standort den Auflagen gerecht wird. Anstelle einer ökonomischen Vernunft liest man in Medien und Hochglanzprospekten die Behauptung, es gäbe in der Schweiz «Wind wie an der Nordsee» und «Es hat genug Wind».

    Tatsache ist: Die Schweiz ist das windärmste Land Europas. Die Windkraftlobby beschönigt die Wirkung der Anlagen und hintergeht die Gesellschaft systematisch. Weder Politik noch Medien haben die fundierte Kritik der Windkraftgegner je ernst genommen. Die Profiteure dieser Umweltlüge dürfen unter sich bleiben und uns gefahrlos ihre gewinnbringende Illusion verkaufen. Die gesamte Diskussion um Klima und Grüne Energie ist verlogen und frei von jeder objektiven Wissenschaft. Anstelle einer sinnvollen Umwelt- und Energiepolitik lässt sich die Mehrheit unserer Gesellschaft durch politische und ideologische Propaganda zu unnötigen Massnahmen verleiten, die weder bezahlbar sind noch minimal funktionieren können. Dahinter steht eine breite Umwelthysterie. Ihre Geschichte, die Fakten und die fatalen Wirkungen erkläre ich umfassend im Buch «Entwarnung, Handbuch der Umwelthysterie».

    Christof Merkli
    Als Betroffener seit vielen Jahren nimmt er immer wieder dezidiert gegen den Bau von Windkraftanlagen Stellung.

    (Bild: www.windpark-lindenberg-nein.ch) Stromspargelwald von der Web-Page der Gegner des Projektes Lindenberg
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