Editorial
Liebe Leserinnen und Leser
Wir leben in verschiedenen Umwelten. Dabei denken die meisten beim Wort Umwelt an die Natur. Es gibt aber auch eine technische Umwelt. Dann gibt es eine soziale oder kulturelle Umwelt. Zuletzt gibt es eine regulatorische Umwelt. Das Wort Umwelt bezeichnet die Welt um uns als Individuen.
Vielleicht fragen Sie kritisch zurück: Warum braucht es diese eher philosophische Einleitung zu einer Ausgabe der Umwelt Zeitung? Die Antwort liegt in der Vielfalt der Artikel, die Sie hier finden. Wie immer zeigen wir hier die Vielfalt auf: die Vielfalt der Umwelten, die uns umgeben.
Dabei geht es in vielen Artikeln um das Verhältnis von Schutz und Nutzen der Natur. Dass die technologische und natürliche Umwelt miteinander interagieren, ist uns klar. Seitdem es den Menschen gibt, braucht er Werkzeuge, um natürliche Ressourcen zu nutzen. Die Frage ist aber, wo die Grenzen dieses Nutzens liegen.
Oft werden diese Grenzen durch die regulatorische Umwelt gesetzt. Wie sie gesetzt wird, ist ein politischer Prozess. Die Grenze selber ist ein politischer Entscheid. Bei der kommenden Abstimmung über das Stromgesetz – auch als Mantelerlass bekannt – geht es um diese Grenze. Wie viel ist uns die Landschaft wert? Wie viele Technologie wollen wir zulassen, um Strom zu produzieren?
Nationalrat Tomas Aeschi bezieht Stellung im Leitartikel. Er sagt klipp und klar, dass dieses Stromgesetz eine Verschandelung der Natur ist. Nach ihm ist also die Grenze falsch gesetzt. Diese Aussage belegt auch ein Artikel mit Beispielen von Umweltschäden wegen der Windkraft. In einem weiteren Artikel wird aufgezeigt, dass die Solarkraft auch nicht naturfreundlich oder gar schonend ist.
Doch vermutlich ist das Problem viel tiefgründiger. Als man im Jahr 2017 die sogenannte «Energiestrategie 2050» annahm, ist man falsch in leeren Versprechungen reingefallen. Dass die Strategie schon sieben Jahre später mit dem Mantelerlass eine Korrektur braucht, ist vielsagend. Die regulatorische Umwelt hat schon dann nicht richtig funktioniert.
Grosse Versprechungen der politischen oder regulatorischen Umwelt funktionieren eigentlich nie. Sie sind eher ein Zeichen von Grössenwahn und Selbstüberschätzung. Dabei funktionieren Projekte, die von einzelnen Personen geplant und umgesetzt werden. Bei denen stimmt nämlich die Verantwortung: Wer sie macht, steht auch Gerade für ihr Gelingen oder Scheitern.
In einem Artikel über Pelze wird eindrücklich gezeigt, wie das Handwerk des Kürschners genau funktioniert. Hier hat man im wahrsten Sinne des Wortes die eigene Hand in der Verantwortung. Gastautorin Sabina Geissbühler schreibt über eine ferne Umwelt: Eritrea. Gerade in einem Ort, wo die regulatorische Umwelt versagt, zeigt die Autorin, wie Privatinitiative und freiwilligen soziale Aktionen funktionieren. Wo Menschen Verantwortung wahrnehmen, funktioniert das Zusammenleben.
Auch Experten sind Menschen. Gute Experten kennen ihre Verantwortung und nehmen sie wahr. Sie kennen ihre Grenzen und gaukeln den anderen nichts vor. Professor Caspar Hirschi forscht über Experten nach. Er gibt in einem Interview Auskunft über was eine Person zum Experten macht – und was nicht.
Liebe Leserinnen und Leser, auch diese Ausgabe der Umwelt Zeitung deckt alle Umwelten ab. Bewusst werden auch ihre Friktionen thematisiert. Sie machen das Leben – und diese Ausgabe – interessant. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.
Ihr
Henrique Schneider,
Verleger