«Die Schweiz Schritt für Schritt klimafreundlicher machen»

    MYBLUEPLANET hat sich zu einer grossen Community entwickelt, die das gemeinsame Ziel verfolgt, sich gegenseitig auf ihrem Weg zu Netto Null zu unterstützen, statt am anderen zu kritisieren, wo er oder sie noch nicht perfekt klimafreundlich lebt. Was hinter dieser Umweltschutz-Organisation steckt, erklären Daniel Lüscher, Präsident MYBLUEPLANET und Nikolaj Kurth, Fachverantwortlicher Kommunikation des Programms Klimaschule.

    (Bilder: MYBLUEPLANET) MYBLUEPLANET setzt auf das konkrete Erleben von Klimaschutz: Im Zentrum steht immer, die Menschen zu motivieren, einfach mal irgendwo mit einer «ClimateAction» anzufangen.

    MYBLUEPLANET ist eine führende Klimaschutzorganisation in der Schweiz. Wie ist sie entstanden?
    Daniel Lüscher: Als Pilot konnte ich die Welt Jahrzehnte lang von oben bestaunen. Dass es immer weniger Schnee und Eis gibt, ist von der Luft aus besonders gut sichtbar. Auf einem Flug im Jahr 2006 war der damalige Bundespräsident Moritz Leuenberger mit an Bord und hat uns im Cockpit besucht. Er war auf dem Weg zur UN-Klimakonferenz in New York und wir kamen ins Gespräch. So habe ich mir dort dann den Film «An Unconvenient Truth» von Al Gore angesehen und war schockiert und inspiriert zugleich. Da muss man doch was tun, dachte ich mir. Und die Menschen müssen das wissen. Zurück in Winterthur erzählte ich meinen Kollegen bei einem Bier von meinem Aha-Erlebnis und wir schmiedeten einen Plan, dass wir den Film in Winterthur gratis zeigen wollen. Mehr als 15’000 Menschen kamen und viele von ihnen wollten im Anschluss etwas tun, etwas ändern. Aus dieser Bewegung heraus gründeten wir deshalb den Verein MYBLUEPLANET. Viele motivierte Menschen setzen sich seitdem für die unterschiedlichsten Projekte für eine klimafreundliche Schweiz ein.

    Wie hat sich MYBLUEPLANET im Laufe der Jahre entwickelt?
    Daniel Lüscher: Gestartet sind wir damals mit viel Motivation aber wenig Plan. Mit tollen Menschen konnten wir 2007 einen Businessplan erstellen und uns mit der Volkart Stiftung die erste grosse Unterstützerin sichern. Seitdem haben wir unzählige Projekte umgesetzt und mittlerweile auch grosse Programme aufgezogen, wie die Klimaschule, das ClimateLab für Lernende oder ClimateActions 4 Companies. Tolle Ideen haben wir immer ganz viele, aber nur durch die zahlreichen motivierten Menschen schafft man es dann auch, die Finanzierung sicherzustellen und diese dann wirklich umsetzen zu können. Unser Ziel ist es bei allem immer, die Menschen ins konkrete Handeln zu bringen und so die Schweiz Schritt für Schritt klimafreundlicher zu machen. Mittlerweile haben wir zehn Programme und Projekte und 20 Mitarbeitende, hunderte Volunteers und ein riesiges Netzwerk an Partnerschaften.

    Daniel Lüscher: «Jede Climate­Action zählt. Dazu muss niemand perfekt sein, es müssen einfach alle mitmachen.»

    Für die MYBLUEPLANET Community ist «Klimaschutz erleben» mehr als nur ein Schlagwort. Was macht MYBLUEPLANET aus, was ist charakteristisch für diese Klimaschutzorganisation?
    Daniel Lüscher: Wir setzen auf das konkrete Erleben von Klimaschutz, weil wir die Menschen so viel besser mitreissen können. Natürlich müssen wir den Menschen den Klimawandel erklären, um darauf aufmerksam zu machen, aber im Zentrum steht für uns immer, die Menschen zu motivieren, einfach mal irgendwo mit einer «ClimateAction» anzufangen. Und gemeinsam macht das mehr Spass und motiviert, dranzubleiben und weiterzumachen, andere Menschen auf dem Weg zu Netto Null mitzunehmen. Deshalb legen wir grossen Wert auf konkrete Aktionen und Angebote, bei denen alle mitmachen können. Jede ClimateAction zählt. Jede und jeder kann heute mit der ersten ClimateAction anfangen. Wer sich Inspiration wünscht und nicht weiss, wo anfangen, dem empfehle ich, einfach unsere ClimateActions App herunterzuladen. Dort findet man unzählige kleine Alltags-Challenges aus allen Lebensbereichen.

    Wieso ist es wichtiger denn je, Klimaschutz konkret und erlebbar zu gestalten?
    Daniel Lüscher: Wir fahren bei uns den Kopf-Herz-Hand-Ansatz, mit dem wir sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Es nur vom Kopf her zu verstehen, reicht meistens nicht, dass man sich ändert. Man muss das Herz erreichen und den Menschen die Möglichkeit geben, etwas selbst zu erleben, damit nachhaltige Veränderung stattfinden kann. Im digitalen Zeitalter ist das schwieriger, aber auch wichtiger denn je.

    Klimaschule als emotionales Umweltschutz-Erlebnis: Der Bau einer Solaranlage gehört beispielsweise zum Programm.

    Sie integrieren auch Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf eine spannende Weise im Schulalltag mit dem Projekt Klimaschule. Welche Idee steckt dahinter?
    Nikolaj Kurth: Wir verstehen die Kinder von heute als die Verantwortlichen von morgen. Deshalb entwickelten wir ein vierjähriges Bildungsprogramm, um Schulen in klimarelevanten Themen zu sensibilisieren und Nachhaltigkeit langfristig im Schulalltag, im Unterricht und in den Infrastrukturen zu verankern. Mit einem erlebnisorientierten und praxisnahen Bildungsansatz fördern wir eine langfristige Verhaltensänderung bei den Schülern. Dabei verfolgen wir das Kopf-Herz-Hand Prinzip. So sollen sie kognitiv gefördert werden, dabei Emotionen verspüren und sogleich bei der Umsetzung der Klimaschutzprojekte mitanpacken dürfen.

    Welche Schulen haben schon mitgemacht und wie sind die Reaktionen von Schüler und Lehrpersonen?
    Nikolaj Kurth: Insgesamt können wir bisher 41 teilnehmende Schulen zählen. Mit 23 Schulen sind wir im Kanton Zürich am stärksten vertreten, haben unser Programm aber bereits in acht verschiedenen Kantonen durchführen dürfen. Anfänglich haben wir hauptsächlich mit Sekundarschulen gearbeitet, mittlerweile gehören aber Schulen von der Primar- bis zur Gymnasialstufe zu unseren Teilnehmern. Das Feedback welches wir von den Schulen erhalten ist überwiegend positiv. Von den Schülern hören wir des Öfteren, dass die durchgeführten Aktionstage eine willkommene Abwechslung zum Schulalltag darstellen und sie durch die interaktive Natur unseres Programms viel Neues erfahren und lernen können.
    Auch wenn der organisatorische Aufwand für die Durchführung des Programms zum Grossteil beim Team Klimaschule liegt, ist auch auf der Schulseite ernstzunehmender Einsatz gefordert. Den allermeisten Rückmeldungen ist jedoch zu entnehmen, dass sich der Aufwand in Anbetracht des pädagogischen Mehrwerts allemal lohnt. Des Weiteren kann sich das Programm auch aus finanzieller Sicht lohnen. Zum Beispiel ermöglicht der Bau einer Solaranlage die elektrische Selbstversorgung der Schule. Und obendrauf schafft man als eine wichtige Institution innerhalb der Gemeinde einen ökologischen Mehrwert für die Allgemeinheit.

    Was sind die nächsten grösseren Projekte von MYBLUEPLANET?
    Daniel Lüscher: Ganz aktuell lancieren wir das E-Learning-Tool 4 ClimateActions. Dieses fungiert als Grundausbildung. Es ermöglicht eine kontinuierliche Förderung des Employee Engagements für aktiven Klimaschutz im gesamten Unternehmen und begünstigt langfristig eine Veränderung der Denkweise bei den Mitarbeitenden. Unser innovatives E-Learning Programm beinhaltet mit sechs Module: Abfall, Strom, Wasser, Heizung und Kühlung, Ernährung und Mobilität. Ab Herbst 2024 bieten wir eine Kollaborationsplattform für mehr Aktion im Klimaschutz an. Das Ziel des Projekts ist es, Organisationen miteinander zu vernetzen, die gemeinsame Anstrengungen vorantreiben den Umweltbelastungen entgegenzuwirken, insbesondere dem Klimawandel. Auch der Bund sucht aktuell Projekte, die neue und innovative Partnerschaften oder die Gestaltung gezielter Umsetzungsmethoden für nachhaltige Entwicklung zum Ziel haben. Genau darauf haben wir ein Projekt und diese Ausschreibung zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg und zur genau richtigen Zeit sind.

    Interview: Corinne Remund


    Breitgefächertes Programm

    Bei MYBLUEPLANET laufen momentan zehn Projekte und Programme.

    • Die Klimaschule ist ein vierjähriges Bildungs- und Klimaschutzprogramm welches Schulen in klimarelevanten Themen sensibilisiert und Nachhaltigkeit langfristig im Schulalltag, im Unterricht und in den Infrastrukturen verankert.
    • Das ClimateLab ist ein zweitägiges interaktives Nachhaltigkeits-Bootcamp für Lernende, bei dem sie nicht nur viel über Klimaschutz lernen, sondern auch ihr eigenes Projekt erarbeiten.
    • Im Programm ClimateActions 4 Companies werden KMU und Tourismusbetriebe auf ihrem Weg zu Netto Null begleitet. Die Massnahmen werden mit allen Mitarbeitenden gemeinsam erarbeitet und umgesetzt, um wirklich nachhaltige Veränderung zu schaffen.
    • Die ClimateActions App inspiriert Tausende mit konkreten Alltags-Challenges zu einem klimafreundlichen Leben.
    • Mit myBlueTree pflanzt die Community Bäume in Schweizer Wälder und Klimaschutz in die Herzen.
    • Im Rahmen von Give&Take werden verschiedene Tauschstationen zur Verfügung gestellt, um die Kreislaufwirtschaft zu verlangsamen. Alle können Gegenstände vorbeibringen, die sie nicht mehr benötigen und mitnehmen, was sie noch brauchen können.
    • Das Ziel von SolarAction ist es, im Kanton Zürich bis 2024 zusätzlich einen Quadratmeter Solarpanels pro Einwohner/in zu installieren. Das hat MYBLUEPLANET geschafft.
    • Im Projekt ClimateFood stellt MyBluePlanet klimafreundliche Rezepte zur Verfügung und veranstalten beispielsweise Kochworkshops.
    • MYBLUEPLANET veranstaltet auch immer wieder Volunteering Events mit Unternehmen oder Privatpersonen, wie beispielsweise Cleanup Aktionen oder Baumpflanzevents. Volunteer werden kann man aber in allen Bereichen und mit allen Fähigkeiten.

    www.myblueplanet.ch

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