«Die Bevölkerung hat die Zeichen der Zeit erkannt!»

    Bereits im Dezember konnte ein erster Teil des Fernwärmenetzes der Energie Ausserschwyz AG in Betrieb genommen werden. Sechs Kilometer neue Leitungen sind für 2022 vorgesehen. Die Inbetriebnahme des Energiezentrums, an dem das Aargauer Unternehmen Brugg Group AG unter anderen als Aktionärin beteiligt ist, ist im April geplant. Urs Rhyner, Geschäftsleiter der Energie Ausserschwyz AG, gibt Einblick über das ambitionierte Projekt der Energie Ausserschwyz AG, das mit unseren aktuellen Energie- und Stromlage aktueller denn je ist. 

    (Bilder: zVg) Die Energie Ausserschwyz AG mit Holzkraftwerk und regionalem Fernwärmenetz gilt als grösstes Energieprojekt der Region Ausserschwyz. Das Energiezentrum geht nach Ostern in Betrieb.

    Die Energie Ausserschwyz AG mit Holzkraftwerk und regionalem Fernwärmenetz gilt als grösstes Energieprojekt der Region Ausserschwyz. Wie ist dieses Projekt entstanden? Urs Rhyner: Aus einer Initiative der Familie Züger, welche auf ihrem Hof ein neues Standbein mit einer regionalen, erneuerbaren Energieproduktion aufbauen wollte. Ich durfte das Projekt mit Philipp Züger entwickeln und wir konnten den regionalen Energieversorger, die EW Höfe AG, als Hauptinvestor gewinnen. Kurze Zeit später kam die Brugg Group AG hinzu und letzthin auch die IWB und die lokale Energiegenossenschaft.

    Bereits im Dezember konnte ein erster Teil des Fernwärmenetzes der Energie Ausserschwyz AG in Betrieb genommen werden. Können Sie eine erste Bilanz ziehen? Die Nachfrage bei den Kunden nach erneuerbarer Energie ist sehr gut. Wir konnten unsere ambitionierten Ziele an Hausanschlüssen bisher erreichen. Weil Fernwärme eine sehr einfache und bequeme Lösung ist und unsere Preise marktgerecht, konnten wir schon viele Liegenschaftsbesitzer überzeugen, obwohl wir das Netz erst begonnen haben zu erstellen. Die ersten 20 Kunden sind am Netz und jede Woche kommen neue dazu!

    Die Inbetriebnahme des Energiezentrums ist im April geplant. Sind Sie da auf Kurs? Bis jetzt sieht es gut aus, dass wir nach Ostern in Betrieb gehen können. Coronabedingte Lieferverzögerungen haben den Terminplan etwas verschoben, aber jetzt sind wir zuversichtlich, dass wir den Betrieb aufnehmen können. Zuerst wird die moderne Feuerung mit effizienter Rauchgasreinigung in Betrieb genommen und im Anschluss die Dampfturbine für die Stromproduktion. Somit können wir ab Sommer kontinuierlich Strom produzieren und mit regionalen Ressourcen etwas gegen die Strommangellage tun!

    Was waren bis jetzt die grössten Hürden? Baubewilligungen für grosse Projekte sind in der Schweiz eine Herausforderung. Man muss vieles Abklären, Berechnen und Aufzeigen mit damit verbundenen Kosten. Um das Fernwärmenetz realisieren zu können, müssen viele hundert Durchleitungsrechte erworben werden. Dies ist sehr aufwendig, aber viele Landeigentümer sehen den Bedarf und den Nutzen der erneuerbaren Wärmeenergie.

    Damit hat in Sachen Wärmeproduktion und -lieferung wie auch bei der Stromproduktion in Ausserschwyz ein neues Zeitalter angefangen. Was bedeutet dies für die Energiewende, die ja momentan nicht nach Plan läuft? Bei der Wärmeversorgung von Gebäuden liegt nach wie vor ein grosses Potenzial grosse Mengen an CO2 Emissionen einzusparen. Mit der erneuerbaren Fernwärme kann den Liegenschaftsbesitzern eine einfache und kostengünstige Lösung angeboten werden. Dies ist im Interesse der Energiewende und beim Ersatz von fossilen Heizlösungen können Fördergelder vom Kanton bezogen werden.

    Die drohende Strommangellage verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig dezentrale Stromproduktionsanlagen sind. Die Holzenergie entspricht gespeicherter Sonnenenergie und kann einen wichtigen Beitrag zur regionalen Versorgungsicherheit leisten. Gerade auch der Krieg von Russland in der Ukraine zeigt einmal mehr exemplarisch auf, wie wichtig eine unabhängige Energieversorgung ist. Auch dazu können wir mit unserem Kraftwerk einen Beitrag leisten.

    Wer sind Ihre Kundinnen und Kunden? Jegliche Liegenschaften im Versorgungsgebiet können an die Fernwärme angeschlossen werden. Egal ob Bodenheizungen, Radiatoren, Lüftungen oder Brauchwarmwasser, die Fernwärme kann alle Bedürfnisse abdecken. Zu den Kunden zählen somit Besitzer von Industriebauten, Gewerbeliegenschaften, öffentliche Bauten, Mehr- und Einfamilienhäusern.

    Wie viele Haushalte werden so mit Wärme und Strom beliefert? Das Energiezentrum kann 9600 Haushalte mit Wärme und 7100 Haushalte mit Strom versorgen. Die Wärme wird mit isolierten Rohren der Brugg Rohrsystem AG verteilt und in Wärmeübergabestationen der Rittmeyer Aqotec AG an die Liegenschaften abgegeben. Beide Firmen gehören zur Brugg Group AG. Der Strom wird an die EW Höfe AG verkauft, welche diesen ihren Kunden als erneuerbaren, regionalen Strom anbieten kann.

    Wie gross ist die Versorgungssicherheit im Falle eines Strom-Blackouts, auf das wir ja gemäss Experten in absehbarer Zeit zusteuern? Der produzierte Strom der Energie Ausserschwyz AG entspricht rund 30 % des Strombedarfs der EW Höfe AG. Ein einzelnes Kraftwerk kann den Netzbetrieb allerdings auch nicht aufrechterhalten. So kann unser Holzkraftwerk einen wichtigen Beitrag leisten, braucht aber ein Verbund von vielen dezentralen Kraftwerken für eine sichere Stromversorgung.

    Woher stammen Ihre «Rohstoffe», für das Holzkraftwerk und die Biogasanlage?Im Holzkraftwerk werden Alt-, Rest- und Waldholz verbrannt. Das Holz kommt möglichst aus der näheren Umgebung, denn je länger der Transportweg ausfällt, desto teurer ist die Beschaffung. Für die Biogasanlage werden Gülle und Speisereste aus der Gastronomie verwendet. Auch diese kommen aus der Region. Insbesondere die Biogasanlage ist ein gutes Beispiel für eine Kreislaufwirtschaft, bei welcher aus den vergärbaren Abfällen Energie gewonnen wird, und die Reststoffe der Energiegewinnung wieder als Dünger auf die Felder kommen,

    Der Kanton Schwyz ist nicht gerade als grüner Kanton bekannt. Wie konnten Sie die Bevölkerung dafür sensibilisieren? Die Politik ist im Kanton Schwyz etwas konservativ. Die Bevölkerung hat die Zeichen der Zeit aber schon längst erkannt. Die Privatwirtschaft hat somit einfach ohne politische Unterstützung umgesetzt, was die Kunden verlangen. Im Kanton Schwyz haben wir bald eine der höchsten Anschlussdichten an Fernwärmenetze schweizweit, denn im ganzen Kanton Schwyz entstanden Fernwärmenetze oder sind diese am Entstehen.

    Wie wird dieses grosse Projekt finanziert? Das innovative Projekt wird klassisch finanziert mit Aktienkapital und Fremdkapital, welches von einer grossen Schweizer Bank zur Verfügung gestellt wird. Zusätzlich hat die Bevölkerung der Region die Möglichkeit das Projekt zu unterstützen und sich über eine Energiegenossenschaft an der AG zu beteiligen. Für Genossenschafter gibt es Rabatte auf den Fernwärmeanschluss ihrer Liegenschaft.

    Der Ausbau der Fernwärme im urbanen Gebiet ist Teil der Energieperspektive 2050+ des Bundesrates, welche das Netto-Null-Szenario zum Ziel hat. Könnte dieser Plan aufgehen? Fernwärmenetze sind ein wichtiger Bestandteil der Energiewende, denn diese Netzte sind die Voraussetzung Abwärme aus Industrieprozessen effizient zu verteilen. Dies ist insbesondere für die sogenannte Konvergenz der Netze wichtig, wo grosse Mengen Abwärme bei der Produktion von Gasen aus Strom (Power to Gas, PtG) und der Verstromung von Gas (Wärme-Kraft-Kopplung, WKK) entstehen.

    Ich bin der Meinung, dass dieser Plan aufgeht, denn der Fernwärmenetzbau wird in vielen Regionen der Schweiz vorangetrieben, weil eine solche Infrastruktur in vielerlei Hinsicht sinnvoll ist. Die Diskussion um die Abhängigkeit von ausländischer Energie ist aktueller denn je.

    Für 2022 sind sechs Kilometer neue Fernwärmeleitungen geplant. Was ist bezüglich des weiteren Netzausbaues noch geplant? Wir planen mehrere Lose gleichzeitig und wollen mit mehreren Bauequipen gleichzeitig arbeiten. Das ist sehr herausfordernd und deshalb sind wir froh, dass wir auf Fachbauleiter der Firma Brugg Rohrsysteme AG zurückgreifen können, welche grosse fachliche Unterstützung leisten. So wollen wir in den nächsten Jahren mehrere Dörfer in Rekordzeit erschliessen. Wir rechnen, dass nach 20 Jahren rund 60 % der Gebäude erschlossen sind, was rund 3500 Hausanschlüssen entspricht.

    Interview: Corinne Remund

    Weitere Infos:
    www.energie-ausserschwyz.ch


    Aktionärin aus dem Aargau
    Um das Aktionariat der Energie Ausserschwyz AG weiter zu stärken, konnte mit der Brugg Group AG ein wichtiger, strategischer Partner gefunden werden. Zur Brugg Group AG mit Sitz in Brugg gehören die Brugg Rohrsystem AG mit Sitz in Kleindöttigen, welche Fernwärmerohre produziert und die Rittmeyer-aqotec AG mit Sitz in Baar, welche Wärmeübergabestationen entwickelt. Mit dem neuen Aktionär baut die Energie Ausserschwyz ihre Kompetenz im Bereich Fernwärme weiter aus.

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