Page 1 - Umwelt Zeitung Aargau - KW 29 - 2022
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AARGAU І Dienstag, 19. Juli 2022 І 9. Jahrgang І Telefon: 062 823 83 88 І Redaktion: 062 822 07 70 І info@umweltzeitung.ch І ag.umweltzeitung.ch І Auflage: 149'173 Exemplare
MATTHIAS TEXTILBRANCHE SHARE.P NEUE ALTHOLZ-
MÜLLER INSEL
Der Präsident der Wäschereien und Das Start-up ermög- Im Gebiet Wester-
Jungfreisinnigen Textilreinigungen licht mit seiner bach in der Region
über nachhaltige haben schon lange nachhaltigen App Zofingen werden 50
Finanzen und zu ein starkes Bewusst- erstmals, private Jahre lang alte öko-
viele Regulierungen sein für die Umwelt. Park plätze zugäng- logisch wertvolle
bezüglich Wirt- lich zu machen. Bäume geschützt.
schafts freiheit.
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«Die Schweiz ist keine Musterschülerin
in Sachen Vogelschutz»
Rund 40 Prozent der gut 200 in der zu Lebensraum. Besonders prekär Alpenschneehuhn dazu gezwun-
Schweiz brütenden Vogelarten gel- ist die Situation nach wie vor in den gen, in immer höhere Lagen aus-
ten als gefährdet, dreimal mehr als Feuchtbiotopen, wo 64 Prozent der zuweichen. Die Anzahl geeigneter
im europaweiten Vergleich. Livio Vogelarten auf der Roten Liste ste- Reviere ist dort aber kleiner, was
Rey, Mediensprecher der Vogel- hen (36 von 56 Arten), und im Kul- schlussendlich in einer Bestandsab-
warte Sempach, gibt Einblick über turland. Hier ist mit 48 Prozent fast nahme resultiert. Manche alpinen
den Zustand der Vogelwelt in der die Hälfte der Vogelarten bedroht Arten wie Schneesperling und Ring-
Schweiz, über besonders gefähr- (20 von 42 Arten), darunter auch drossel sind zudem darauf ange-
dete Arten, über Schutz- und För- viele einstige «Allerweltsarten» wie wiesen, dass die Jungenaufzucht in
dermassnahmen und erklärt, wel- Feldlerche und Wachtel. Im Gegen- die Zeit der Schneeschmelze fällt,
chen Beitrag jeder persönlich satz dazu sind im Wald nur 15 Pro- weil dann besonders viel Nahrung
leisten kann, um unseren heimi- zent der Brutvögel (9 von 59 Arten) für die Nestlinge verfügbar ist. Mit
schen Vögeln eine gute Lebens- auf der Roten Liste. Noch immer fortschreitendem Klimawandel fin-
grundlage zu bieten. gelten rund 40 Prozent der rund 200 det die Schneeschmelze immer frü-
in der Schweiz brütenden Vogelar- her statt, die Vögel können aber ihre
Wie viele Vogelarten hat es in der ten als gefährdet, dreimal mehr als Brut nicht beliebig weit nach vorne
Schweiz? im europaweiten Vergleich. Damit schieben. Dies kann langfristig zu
Livio Rey: Etwa 200 Vogelarten brü- rangiert die Schweiz auf einem der Problemen bei der Jungenaufzucht
ten regelmässig in der Schweiz, letzten Plätze in ganz Europa. In und schlussendlich zu Bestands-
weitere 100 Arten besuchen uns den letzten 20 Jahren hat sich die rückgängen führen.
alljährlich als Zugvögel oder Win- Situation insgesamt sogar leicht
tergäste, brüten aber nicht oder nur verschlechtert, weil immer mehr Viele Bergvögel haben in Europa
ausnahmsweise in der Schweiz. Bild: Lukas Linder Arten als «potenziell gefährdet» seit den 1980er-Jahren deutliche
Schliesslich gibt es rund 130 Vogel- Im Besuchszentrum der Vogelwarte erleben die Gäste die Welt aus der eingestuft werden mussten. Der Arealverluste erlitten, vor allem im
arten, die sich als Irrgäste nur einige Vogelperspektive: Sie schlüpfen aus dem Ei, begeben sich auf Nahrungs- Anteil der Vogelarten in dieser als Gebirge, die niedriger sind als die
wenige Male in die Schweiz verflo- suche und erleben die Welt aus den Augen eines Zugvogels. «Vorwarnliste» geltenden Kategorie Alpen. Wieso das und was bedeu-
gen haben. stieg auf 20 Prozent. Die Schweiz tet dies konkret für die Schweiz als
intensiven Landwirtschaft sind seit Wälder inzwischen weniger stark ist also bei weitem keine Muster- zentrales Alpenland?
Wie hat sich die Vielfalt dieser den 1990er Jahren die Bestände aufgeräumt und weisen mehr Tot- schülerin in Sachen Vogelschutz. In den tief gelegenen Gebirgen
Vogelarten im Laufe der letzten zahlreicher Arten des Landwirt- und Altholz auf. Europas sind mittlerweile selbst auf
Jahre verändert? schaftsgebiets weiter zurückge- Welchen Einfluss hat der Klima- den Gipfeln die Bedingungen unge-
Die Entwicklung der Vogelbe- gangen. Bei vielen Vogelarten der Wie steht es um die heimischen wandel auf unsere Brutvögel? eignet für gewisse alpine Vogelar-
stände verläuft in den verschiede- Wälder dagegen konnten in den Vögel in der Schweiz? Die Klimaerwärmung hinterlässt ten, sei es, weil die Temperaturen
nen Lebensräumen unterschiedlich letzten Jahren Bestandszunahmen Der Zustand der Vogelwelt wider- ihre Spuren in der Vogelwelt. Wäh- zu hoch sind oder weil die Baum-
und hängt unter anderem davon ab, verzeichnet werden. Einerseits hat spiegelt den Umgang des Men- rend einzelne wärmeliebende, grenze immer höher steigt.
wie der Lebensraum genutzt wird. generell die Waldfläche zugenom- schen mit der Natur. Dieser Umgang mediterrane Arten einwandern, sind
Aufgrund der vielerorts anhaltend men, andererseits sind unsere unterscheidet sich von Lebensraum insbesondere alpine Vögel wie das Fortsetzung Seite 3